From c68611f5301606c46e6bcac88fd6bf7c5fb00839 Mon Sep 17 00:00:00 2001 From: Harald Geyer Date: Thu, 12 May 2011 03:41:33 +0200 Subject: [PATCH] =?utf8?q?Die=20Stadt=20ohne=20Juden:=20Umlaute,=20Silbent?= =?utf8?q?rennung=20und=20Anf=C3=BChrungszeichen?= MIME-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=utf8 Content-Transfer-Encoding: 8bit --- content/Hugo_Bettauer/Die_Stadt_ohne_Juden.tex | 175 +++++++++++++------------ 1 file changed, 89 insertions(+), 86 deletions(-) diff --git a/content/Hugo_Bettauer/Die_Stadt_ohne_Juden.tex b/content/Hugo_Bettauer/Die_Stadt_ohne_Juden.tex index bb4b4f2..358cd59 100644 --- a/content/Hugo_Bettauer/Die_Stadt_ohne_Juden.tex +++ b/content/Hugo_Bettauer/Die_Stadt_ohne_Juden.tex @@ -9,6 +9,7 @@ \newcommand*{\unterschrift}[1]{\begin{flushright}#1\end{flushright}} \newcommand*{\pagenum}[1]{\marginline{#1}} +\newcommand\Zwickerl{\discretionary{Zwik-}{kerl}{Zwickerl}} \begin{document} \raggedbottom @@ -106,7 +107,7 @@ Pforten geschlossen und die Rollbalken herabgezogen. \pagenum{4}Plötzlich zerriß ein einziges Aufbrüllen die Luft. „Hoch Doktor Karl Schwertfeger, hoch, hoch, hoch! Hoch der Befreier -Oesterreichs!“ +Österreichs!“ Ein offenes Auto fuhr langsam mitten durch die Menschenmassen hindurch, die zurückdrängten und Bahn machten. Im Auto saß ein @@ -151,7 +152,7 @@ Abhängigkeitsverhältnis. Heute aber flogen hämische Blicke von der christlichen Ecke in die jüdische, und als der kleine Karpeles von der „Weltpost“, der eben erst eingetreten war, den Doktor Wiesel von der „Wehr“ mit „Servus Herr Kollege!“ begrüßte, wandte ihm -dieser ohne Erwiderung den Rücken. +dieser ohne Erwiderung den \discretionary{Rük-}{ken}{Rücken}. Es drängten immer noch Journalisten herein, darunter Vertreter ausländischer Zeitungen, die heute in Wien angekommen waren. @@ -168,7 +169,7 @@ bedeutungsvolle Blicke auf der anderen. \pagenum{6}Ein junger blonder Herr mit roten Backen machte nach links und rechts eine leichte Verbeugung. -„Holborn vom „London Telegraph“! Bin eben vor einer Stunde +„Holborn vom \glq{}London Telegraph\grq{}! Bin eben vor einer Stunde angekommen und kenne mich wahrhaftig nicht aus. Vorgestern kam ich aus Sidney nach halbjähriger Abwesenheit in London an, eine Stunde später saß ich wieder im Zug, um nach Wien zu fahren. Unser @@ -193,7 +194,7 @@ kurz und sachlich erklärte: „Was geschehen soll, werden Sie sofort aus dem Munde unseres Bundeskanzlers Dr. Karl Schwertfeger erfahren, der das Gesetz zur -Ausweisung aller Nichtarier aus Oesterreich eingehend begründen +Ausweisung aller Nichtarier aus Österreich eingehend begründen wird. Die Vorgeschichte ist, kurz gesagt, folgende: Als die österreichische Krone auf den Wert \pagenum{7} eines fünfzigstel Centimes herabgesunken war, begann das Chaos einzutreten. Ein @@ -204,7 +205,7 @@ schließlich mußte zu Neuwahlen geschritten werden. Die Sozialdemokraten traten ohne neues Programm in den Wahlkampf, die Christlichsozialen hingegen scharten sich um ihren geistvollen Führer Dr. Karl Schwertfeger, dessen Losungswort lautete: Hinaus -mit den Juden aus Oesterreich! Nun, vielleicht ist es Ihnen +mit den Juden aus Österreich! Nun, vielleicht ist es Ihnen bekannt,“ – Holborn nickte, obwohl er keine Ahnung hatte – „daß die Wahlen den völligen Zusammenbruch der Sozialdemokraten, Kommunisten und Liberalen brachten. Selbst die Arbeitermassen wählten unter der @@ -215,7 +216,7 @@ das „Hinaus mit den Juden!“ eingestellt. Nun, der Genialität des Doktor Schwertfeger, seiner unerschrockenen Energie, seiner kühnen Impetuosität und Beredsamkeit gelang es, dem -Völkerbund, der vor die Alternative Anschluß Oesterreichs an +Völkerbund, der vor die Alternative Anschluß Österreichs an Deutschland oder Gewährenlassen gestellt war, die Zustimmung zur großen Judenausweisung abzuringen. Und jetzt wird Schwertfeger selbst das Gesetz einbringen, das sicher angenommen werden wird. @@ -230,7 +231,8 @@ Grabesstille, in die das Surren der Ventilatoren unheimlich klang. Das leiseste Räuspern, das Rascheln der Papiere in der Journalistenloge wurde gehört und empfunden. -Uebergroß, trotz des vorgebeugten Schädels und gewölbten Rückens, +Übergroß, trotz des vorgebeugten Schädels und gewölbten +\discretionary{Rük-}{kens}{Rückens}, stand der Bundeskanzler auf der Rednertribüne, die Hände, zu Fäusten geballt, stützten sich auf das Pult, unter den grauen, buschigen Brauen glitzerten die scharfen Augen über den Saal @@ -240,9 +242,9 @@ turbulentesten Versammlungen immer hatte Gehör erzwingen können, begann. „Verehrte Damen und Herren! Ich lege Ihnen jenes Gesetz und jene -Aenderungen unserer Bundesverfassung vor, die gemeinsam nichts +Änderungen unserer Bundesverfassung vor, die gemeinsam nichts weniger bezwecken, als die Ausweisung der nichtarischen, deutlicher -gesagt, der jüdischen Bevölkerung aus Oesterreich. Bevor ich das +gesagt, der jüdischen Bevölkerung aus Österreich. Bevor ich das tue, möchte ich aber einige rein persönliche Bemerkungen machen. Seit fünf Jahren bin ich der Führer der christlichsozialen Partei, @@ -280,7 +282,7 @@ der Judenschaft sei. Der Kanzler fuhr fort. „Trotzdem, ja gerade deshalb wuchs im Laufe der Jahre in mir immer -mehr und stärker die Ueberzeugung, daß wir Nichtjuden nicht länger +mehr und stärker die Überzeugung, daß wir Nichtjuden nicht länger mit, unter und neben den Juden leben können, daß es entweder Biegen oder \pagenum{10} Brechen heißt, daß wir entweder uns, unsere christliche Art, unser Wesen und Sein oder aber die Juden aufgeben @@ -316,7 +318,7 @@ Doktor Schwertfeger führte mit der knochigen Rechten das Glas zu den dünnen Lippen und sein halb spöttischer, halb befriedigter Blick kreiste im Saal. -„Sehen wir dieses kleine Oesterreich von heute an. Wer hat die +„Sehen wir dieses kleine Österreich von heute an. Wer hat die Presse und damit die öffentliche Meinung in der Hand? Der Jude! Wer hat seit dem unheilvollen Jahre 1914 Milliarden auf Milliarden gehäuft? Der Jude! Wer kontrolliert den ungeheuren Banknotenumlauf, @@ -388,7 +390,7 @@ bitter rächen~–“, bemerkte der Redner unter schallender Heiterkeit der Anwesenden. Er fuhr dann fort: „Festbesoldete und geistige Arbeiter, die tatsächlich vermögenslos -sind, wie zum Beispiel Aerzte, erhalten vom Staat den Betrag zur +sind, wie zum Beispiel Ärzte, erhalten vom Staat den Betrag zur Fortreise, den sie als Jahreseinkommen \pagenum{14} versteuert hatten. Gab also ein Arzt sein Einkommen mit dreihunderttausend an, so erhält er diese Summe. Um jede anderweitige Steuerflucht zu @@ -396,7 +398,7 @@ verhüten, enthält das Gesetz die drakonische Bestimmung, daß der Versuch, größere als erlaubte Summen fortzuschleppen, mit dem Tode zu bestrafen sei. Ebenso ist die Todesstrafe über die Juden oder Judenstämmlinge verhängt, die den Versuch machen, sich auch -weiterhin heimlich in Oesterreich aufzuhalten. +weiterhin heimlich in Österreich aufzuhalten. Das Gesetz soll in folgender Weise durchgeführt werden: @@ -404,7 +406,7 @@ Das Gesetz soll in folgender Weise durchgeführt werden: müssen innerhalb dreier Monate nach Annahme des Gesetzes die Grenzen verlassen, protokollierte Firmeninhaber, Angestellte, Beamte und manuelle Arbeiter innerhalb von vier Monaten, Künstler, -Gelehrte, Aerzte, Rechtsanwälte und so weiter innerhalb von fünf +Gelehrte, Ärzte, Rechtsanwälte und so weiter innerhalb von fünf Monaten. Direktoren von Aktienunternehmungen, Banken und Industrien, die im letzten Jahre ein Einkommen von mehr als sechs Millionen versteuert haben, ist eine Frist von einem halben Jahr @@ -417,8 +419,8 @@ auch auf Judenstämmlinge. Als Judenstämmling gelten die Kinder aus Mischehen. Hat also zum Beispiel eine Christin rein deutscharischer Abstammung einen Juden geheiratet, so trifft die Ausweisung ihn und die Kinder aus dieser Ehe, während es \pagenum{15} der Frau -unbenommen bleibt, in Oesterreich zu verweilen. Nach reiflicher -Ueberlegung hat die Regierung beschlossen, die Kindeskinder aus +unbenommen bleibt, in Österreich zu verweilen. Nach reiflicher +Überlegung hat die Regierung beschlossen, die Kindeskinder aus Mischehen nicht mehr als Judenstämmlinge, sondern als Arier zu betrachten. Hat also ein Christ eine Jüdin geheiratet, so werden wohl die Kinder ausgewiesen, die Kindeskinder aber, vorausgesetzt, @@ -478,7 +480,7 @@ angehören, stellt uns einen gewaltigen Kredit in dänischer, schwedischer und norwegischer Valuta zur Verfügung, der amerikanische Industriekönig Jonathan Huxtable, einer der reichsten Männer der Welt und ein begeisterter Streiter in Christo, hat sich -bereit erklärt, zwanzig Millionen Dollars in Oesterreich anzulegen, +bereit erklärt, zwanzig Millionen Dollars in Österreich anzulegen, der französische Christenbund macht hundert Millionen Francs mobil – kurzum, es werden Milliarden Kronen ins Ausland wandern müssen und dafür Milliarden in Gold einströmen!“ @@ -559,7 +561,7 @@ konnten, sahen sie ein festlich beleuchtetes Wien. Von allen wurden abgebrannt, bis lange nach \pagenum{20} Mitternacht dauerten die Umzüge der Menschenmassen, die immer vor das Kanzlerpalais marschierten, um Doktor Schwertfeger hoch leben zu -lassen und als Befreier Oesterreichs zu preisen~–~–~– +lassen und als Befreier Österreichs zu preisen~–~–~– \tb{* * *} Als der Nationalrat, Gemeinderat, Armenrat und Gewerberat Antonius @@ -571,7 +573,7 @@ Tochter, Frau Corroni, saß mit verquollenen Augen da, ihr Gatte, der Prokurist Alois Corroni, lächelte den Schwiegervater impertinent und verächtlich an, und die beiden Enkelkinder Lintschi und Hansl stießen ein furchtbares Geheul aus, als Herr Schneuzel -seine kleinen Aeuglein verwirrt und ängstlich um den Tisch kreisen +seine kleinen Äuglein verwirrt und ängstlich um den Tisch kreisen ließ. „Ja, was is denn da los?“ @@ -762,7 +764,7 @@ Diesem schwellte Triumph die Brust. Er wußte, die Frau des Komponisten blieb hier, niemand konnte sie zwingen, mit ihrem Gatten ins Exil zu gehen, und verabredetermaßen würde sie endlich, wenn \pagenum{27} der Mann erst fort, sein werden. Sein würde -aber nicht nur sie werden, sondern ganz Wien, ganz Oesterreich! +aber nicht nur sie werden, sondern ganz Wien, ganz Österreich! Denn sie alle, hinter denen er zurückstehen mußte, sie alle, deren Theaterstücke aufgeführt wurden, während die seinen jahrelang in den Schubladen der Dramaturgen schliefen, sie alle, die gestern @@ -777,7 +779,7 @@ die Wangen streichelte. Donnernd und polternd lachte der große Schauspieler Armin Horch auf. -„Meine Herrschaften, nun muß es heraus! Auch ich werde Oesterreich +„Meine Herrschaften, nun muß es heraus! Auch ich werde Österreich verlassen müssen! Denn ich, den die „Wehr“ und andere Zeitungen immer als den Verkörperer des christlichen Schönheitsideals gepriesen haben, ich bin ein ganz gewöhnlicher Judenstämmling! Mein @@ -801,7 +803,7 @@ Christine Haberle, eine kleine Sängerin aus Stuttgart, verliebte, ließ er sich, da sie anders nicht die Seine werden wollte, taufen. Nun, mein Vater heiratete wieder eine Christin und so bin ich Christ in dritter Generation, also werde ich nicht ausgewiesen, -obwohl ich in Art und Aeußerem ganz entschieden ein Duplikat meines +obwohl ich in Art und Äußerem ganz entschieden ein Duplikat meines Großvaters bin.“ „Es lebe der Urchrist Pinkus,“ rief der Hausherr belustigt und alle @@ -905,7 +907,7 @@ ordentlich aushält und ich bin so wie jetzt fürs Herz da!“ In den nächsten Tagen wußten die liberalen Blätter zu berichten, daß hunderte von wackeren christlichen Jünglingen, empört über das -den Juden angetane Unrecht, demonstrativ ihren Uebertritt zum +den Juden angetane Unrecht, demonstrativ ihren Übertritt zum Judentum beschlossen hätten, um das Schicksal dieses schwer geprüften Volkes zu teilen. @@ -979,13 +981,13 @@ Professor Trumm folgern darf, wird uns die Ausweisung der Juden mit ungeheuren Schulden, in Gold rückzahlbar, belasten, unseren Banknotenumlauf aber in keiner nennenswerten Weise vermindern.“ -„Geht die Liquidierung und Uebergabe der Finanzinstitute, Banken +„Geht die Liquidierung und Übergabe der Finanzinstitute, Banken und Aktiengesellschaften glatt vor sich?“ „In dieser Beziehung ist alles in vollem Gange, aber leider zeigt es sich, daß unsere einheimischen Kapitalisten entweder nicht willens oder nicht in der Lage sind, die großen Unternehmungen an -sich zu reißen, so daß überwiegend Ausländer als Uebernehmer in +sich zu reißen, so daß überwiegend Ausländer als Übernehmer in Betracht kommen. Die Länderbank, die Kreditanstalt, die Anglobank, die Escompte-Gesellschaft und andere Großbanken gehören bereits Italienern, Engländern, Franzosen, Tschechoslowaken und so weiter, @@ -994,7 +996,7 @@ holländisches Konsortium die Simmeringer Lokomotivfabrik übernommen. Wir passen natürlich höllisch auf, daß sich auf solchem Umweg nicht ausländische Juden hier einnisten, und jeder Kaufvertrag weist nachdrücklich auf die Klausel hin, wonach auch -ausländische Juden keinerlei Aufenthaltsrecht in Oesterreich +ausländische Juden keinerlei Aufenthaltsrecht in Österreich genießen, weder dauerndes noch vorübergehendes. Daß \pagenum{35} die Aktionäre und Direktoren der fremden Gesellschaften, die hier aufkaufen, zum Teile Juden sind, läßt sich aber nicht vermeiden.“ @@ -1003,12 +1005,12 @@ Der Kanzler stützte die mächtige, gewölbte Stirne in die knochige Hand, wischte dann peinliche Gedanken mit einer Handbewegung fort und sagte gleichmütig: -„Uebergangserscheinungen, denen späterhin abzuhelfen sein wird! Wie +„Übergangserscheinungen, denen späterhin abzuhelfen sein wird! Wie vollzieht sich die Ausweisung?“ „Genau nach den Durchführungsbestimmungen des Gesetzes! Sowohl die Polizei als auch das Verkehrsamt arbeiten vortrefflich, täglich -verlassen ungefähr zehn Züge mit Ausgewiesenen Oesterreich nach +verlassen ungefähr zehn Züge mit Ausgewiesenen Österreich nach allen Richtungen und bis heute haben etwa vierhunderttausend Juden das Land verlassen.“ @@ -1019,7 +1021,7 @@ Fünftel erledigt?“ Doktor Fronz lächelte dünn. „Wir haben eben die große Zahl der Konvertiten und Judenstämmlinge unterschätzt! Heute hat die -Staatspolizei mehr Ueberblick und sie rechnet nun nicht mehr mit +Staatspolizei mehr Überblick und sie rechnet nun nicht mehr mit einer halben Million, sondern mit achthunderttausend, vielleicht sogar mit einer Million Menschen, die unter das Gesetz fallen! Bei dieser Gelegenheit möchte ich bemerken, daß sich gewisse @@ -1033,7 +1035,7 @@ uralte Familien werden auseinandergerissen, ja es hat sich etwas ereignet, was schallendes Gelächter nicht nur in den Judenblättern, die ja noch bis zum letzten Augenblick hetzen werden, erregt, sondern auch in der Presse des Auslandes. Eine Schwester des -Fürsterzbischofs von Oesterreich, Kardinal Rößl, ist mit einem +Fürsterzbischofs von Österreich, Kardinal Rößl, ist mit einem Juden verheiratet, sein Bruder aber mit einer Jüdin, so daß seine Eminenz durch das Gesetz sämtlicher Neffen, Nichten und Geschwister beraubt wird. Vielleicht wird es sich doch empfehlen, unter solchen @@ -1056,7 +1058,7 @@ den Grundmauern des Gesetzes nicht rütteln! Im Namen der Habsburger \pagenum{37} wurde ein Krieg geführt, der einer Million Männer das Leben gekostet hat und man hat nicht zu mucksen gewagt! Was ist im Vergleich dazu die Tatsache, daß ein paar tausend oder -vielleicht hunderttausend Menschen Unbequemlichkeit und Aerger +vielleicht hunderttausend Menschen Unbequemlichkeit und Ärger verursacht wird? Ich bitte Sie, in diesem Sinne die christlichen Blätter zu instruieren. Besser noch, wenn die politische Korrespondenz sofort eine diesbezügliche Enunziation der Regierung @@ -1141,7 +1143,7 @@ altertümlichen Ziehbrunnen trat, \pagenum{40} blieb man ansteigenden Garten über, der schier endlos war. Im Sommer leuchteten die Levkojen, Tulpen, Rosen und Nelken in südlicher Pracht, hinter dem Ziergarten kamen Hunderte von Bäumen, die unter -der Last der Aepfel, Birnen, Aprikosen, Pflaumen und Kirschen sich +der Last der Äpfel, Birnen, Aprikosen, Pflaumen und Kirschen sich tief zur Erde beugten, und wenn man auch die Obstbäume hinter sich hatte, so war man noch immer nicht am Ende des Gartens, sondern ging steil durch einen Weinberg, um endlich ganz oben auf ein @@ -1345,12 +1347,12 @@ gefunden, viele wanderten nach Amerika aus, einige wenige beschlossen, sich anderen Berufen zuzuwenden. Der Herausgeber der großen „Weltpresse“ aber übersiedelte mit einem kleinen Stabe von Mitarbeitern nach London, um dort unter dem Titel „Im Exil“ eine -deutsche Wochenschrift, die sich in erster Linie mit Oesterreich +deutsche Wochenschrift, die sich in erster Linie mit Österreich befassen sollte, erscheinen zu lassen. Um ein Uhr mittags verkündeten Sirenentöne, daß der letzte Zug mit Juden Wien verlassen, um sechs Uhr abends läuteten sämtliche -Kirchenglocken zum Zeichen, daß in ganz Oesterreich kein Jude mehr +Kirchenglocken zum Zeichen, daß in ganz Österreich kein Jude mehr weilte. In diesem Augenblicke begann Wien sein großes Befreiungsfest zu @@ -1394,7 +1396,7 @@ neues Leben. Morgen dürfen wir noch ruhen und uns beschaulich besinnen. Dann aber müssen wir arbeiten, wie wir noch nie gearbeitet haben. Unser ganzes Können müssen wir unserem Vaterlande widmen, jede Stunde muß genützt werden. Wir werden der ganzen Welt -zeigen müssen, daß Oesterreich auch ohne Juden leben kann, ja daß +zeigen müssen, daß Österreich auch ohne Juden leben kann, ja daß wir eben deshalb gesunden, weil wir das Fremde aus unserem Blutkreislauf entfernt haben. Mitbürger, schwört es mir in dieser feierlichen Stunde in die Hand, daß wir alle nicht mehr schwelgend @@ -1407,7 +1409,7 @@ schüttelten einander die Hände, Männer und Frauen sanken einander weinend und lachend in die Arme, die neue Volkshymne wurde intoniert und mitgesungen und dann erklang ohne Verabredung und doch wie aus einem Munde das „Hoch unser Doktor Schwertfeger, der -Befreier Oesterreichs!“ +Befreier Österreichs!“ \pagenum{50}Als sich der Jubel und Tumult ein wenig gelegt hatte, kam endlich auch Bürgermeister Herr Karl Maria Laberl zum @@ -1456,10 +1458,10 @@ feinsten Häuser kaum erwehren kannst, bekam ich ordentlich Herzklopfen. Wirst Du bei den schönen Pariserinnen nicht Deine arme, kleine Lotte ganz vergessen? O Leo, was soll nur aus uns werden, wann werde ich wieder meinen Kopf an Deine Schulter legen -können? Weißt Du, Leo, neulich flog ein großer Aeroplan über den +können? Weißt Du, Leo, neulich flog ein großer Äroplan über den Kahlenberg westwärts, und da habe ich gedacht, daß ich, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, gleich zu Dir nach Paris fliegen würde, -ob meine Eltern es nun erlauben oder nicht. Ueberhaupt, wenn ich +ob meine Eltern es nun erlauben oder nicht. Überhaupt, wenn ich wüßte, wie man, ohne daß es jemand erfährt, einen Paß bekommt, würde ich mir von Dir Geld schicken lassen und heimlich zu Dir kommen. Ich weiß, daß ich Papa und die Mutter damit furchtbar @@ -1474,7 +1476,7 @@ was ich selbst sehe oder von den anderen weiß; aber wenn es dumm wird, so darfst Du mich nicht auslachen. \pagenum{53}Also, von dem großen Jubel und den Festzügen am -Silvestertage, als die letzten Israeliten Wien und Oesterreich +Silvestertage, als die letzten Israeliten Wien und Österreich verlassen hatten, wirst Du ja ohnedies alles aus den Zeitungen ersehen haben. Nun, den ganzen Januar hielt diese Stimmung an, die Leute machten alle fröhliche Gesichter, ein Festkonzert folgte dem @@ -1558,7 +1560,7 @@ auch immer so \pagenum{56} geärgert hast, gar nicht fehlen. Dafür machen sich auf dem Korso sehr viele junge Lackeln, die wie Bauern aussehen und unmöglich angezogen sind, mit mächtigen Uhrketten und Diamantringen an den dicken Fingern, breit. -Ueberhaupt scheint unser ganzer Fremdenverkehr nur mehr aus Bauern +Überhaupt scheint unser ganzer Fremdenverkehr nur mehr aus Bauern zu bestehen. Der Besitzer vom Hotel Imperial hat neulich in einer Zeitung geklagt, daß er jetzt Gäste habe, die sich mit den genagelten Schuhen ins Bett legen und ihre Jägerwäsche in der @@ -1764,7 +1766,7 @@ unterlassen. Erfüllen wir die Forderungen der Stellungslosen im kaufmännischen Betriebe nicht, so wird ihr die Geduld reißen und sie wird, schon um diese Leute in ihr Lager zu drängen, eine Polemik eröffnen, die verderblich werden kann, weil wir die -Uebergangszeit von der Judenherrschaft zur Befreiung noch nicht +Übergangszeit von der Judenherrschaft zur Befreiung noch nicht hinter uns haben.“ „Und unsere Krone?“ wandte der Finanzminister Professor Trumm @@ -2064,7 +2066,7 @@ heiter vor sich hinsang. „Du wirst sehen,“ sagte der Hofrat seiner Gattin, „Lotte schlägt sich nach und nach die ganze traurige Geschichte aus dem Kopf! Der -arme Bursch? tut mir ja leid, aber es ist besser so. Uebrigens hat +arme Bursch? tut mir ja leid, aber es ist besser so. Übrigens hat er mir ja auch ganz vernünftig geschrieben und versprochen, den Briefwechsel mit Lotte aufzugeben.“ @@ -2084,7 +2086,7 @@ werden mußte, durch die Habgier einzelner Hausbesitzer obdachlos gemacht zu werden. Heute gibt es keinen Mangel an Wohnungen mehr; dank dem segensreichen Antijudengesetz unseres hochverehrten Bundeskanzlers sind wieder normale Verhältnisse eingetreten, es ist -der notwendige Ueberschuß an Wohnungen vorhanden, und so erübrigt +der notwendige Überschuß an Wohnungen vorhanden, und so erübrigt sich dieses Mieterschutzgesetz, das nur mehr einen brutalen Eingriff in die Rechte der Hausbesitzer bildet, ja sogar einen Verfassungsbruch. Sicher werden nach Aufhebung des Gesetzes @@ -2176,32 +2178,32 @@ massenhaft Leser, während der Weizen der „Arbeiter-Zeitung“ wieder zu blühen begann. \tb{* * *} -Herr Zwickerl war schlechter Laune und stocherte wütend in seinem +Herr \Zwickerl{} war schlechter Laune und stocherte wütend in seinem Kirschenstrudel umher, der auf dem Teller vor ihm lag. Frau -Zwickerl sah Sturm kommen und beugte vor. +\Zwickerl{} sah Sturm kommen und beugte vor. „Anton, was is dir denn wieder über die Leber gelaufen? Geht das Geschäft nicht?“ -Das war für Herrn Zwickerl zu viel. Er schob den Kirschenstrudel +Das war für Herrn \Zwickerl{} zu viel. Er schob den Kirschenstrudel fort, wurde röter im Gesicht als die Kirschen im Strudel und brüllte: \pagenum{78}„Oh ja, das G?schäft geht! Zum Teufel nämlich geht es! Damit du nur weißt, Konkurs muß ich ansagen!“ -„Jessasmariandjosef!“ kreischte Frau Zwickerl auf. „Wie ist denn +„Jessasmariandjosef!“ kreischte Frau \Zwickerl{} auf. „Wie ist denn das möglich?! Es ist doch immer g?steckt voll im Laden und alle Leut? glauben, daß du eine Goldgruben von dem Juden, dem Leßner, übernommen hast!“ -„Ja,“ höhnte Zwickerl, „eine Goldgruben voll mit Dreck! Je mehr die +„Ja,“ höhnte \Zwickerl{}, „eine Goldgruben voll mit Dreck! Je mehr die Leut? kaufen, desto mehr verlier? ich! Weißt was? Daran san die verfluchten Valuten schuld! Kronen, schäbige Kronen krieg? ich herein und Mark und tschechische Kronen und Franken fliegen hinaus. Zehntausend Meter Batist kauf? ich in Reichenberg und nach acht Tagen kommt der Verkäufer von der Abteilung und strahlt über das -ganze blöde Gesicht und sagt: „Herr Zwickerl, die Ware fliegt einem +ganze blöde Gesicht und sagt: „Herr \Zwickerl{}, die Ware fliegt einem nur so aus der Hand! Morgen haben wir nicht mehr einen Meter im Haus!“ @@ -2211,12 +2213,12 @@ gestiegen ist, bei jedem Meter tausend Kronen verloren hab?. Und das ist nur ein Beispiel von hunderten. Ich schlag? eh? bei jeder War? schon dreihundert Prozent auf und trotzdem, die Krone fällt rascher, als ich aufschlagen kann, Verluste, nichts als Verluste, -und die Länderbank, die mir das Kapital zur Uebernahme gegeben hat, +und die Länderbank, die mir das Kapital zur Übernahme gegeben hat, fordert Rückzahlung und ich kann nicht zahlen, weil ich ein riesiges Defizit habe. Im Gegenteil, ich brauche wieder hundert Millionen, weil ich sonst nicht einkaufen kann!“ -\pagenum{79}Herr Zwickerl hatte sich Luft gemacht und war +\pagenum{79}Herr \Zwickerl{} hatte sich Luft gemacht und war besänftigt. Er zog den Kirschenstrudel an sich heran und machte ein pfiffiges Gesicht: @@ -2224,7 +2226,7 @@ pfiffiges Gesicht: ist alles! Früher, als ich noch mein kleines Geschäft in der Stumpergassen gehabt habe, da bin ich alleweil, wenn ich im Ausland kaufen mußte, zum krummen Kohn von der Hermesbank gegangen, wo mein -Konto war, und der hat gesagt: Herr Zwickerl, hat er gesagt, Sie +Konto war, und der hat gesagt: Herr \Zwickerl{}, hat er gesagt, Sie müssen sich jetzt mit Mark eindecken, weil die Mark steigen wird; oder: die Krone wird fester kommen, hat er gesagt, kaufen Sie Kronen. Und immer ist es richtig so gewesen und ich hab? nicht nur @@ -2233,12 +2235,12 @@ die Affen, die jetzt in der Bank beieinandersitzen, kennen sich selber net aus und i kenn? mi? auch net aus und alles geht kaput, sag? ich dir!“ -Herr Zwickerl gehörte zu den vielen kleinen Geschäftsleuten, die +Herr \Zwickerl{} gehörte zu den vielen kleinen Geschäftsleuten, die durch das Antijudengesetz mächtig in die Höhe gekommen waren. Mit Hilfe der urchristlich gewordenen Länderbank hatte er, der kleine Dutzendkaufmann, das große Warenhaus in der Mariahilferstraße an sich bringen können, und das erste Halbjahr war alles eitel Wonne -gewesen. Wenn Herr Zwickerl auf der Galerie des Kaufhauses stand +gewesen. Wenn Herr \Zwickerl{} auf der Galerie des Kaufhauses stand und auf den Menschenschwarm hinabsah, kam er sich wie ein kleiner König vor und er berauschte sich ordentlich an dem Klingeln der Registrierkassen, dem Knistern der Seide und dem Stimmengewirr. Und @@ -2251,21 +2253,21 @@ haben! Die Juden haben die großen Geschäfte gehabt und wir Christen konnten im finsteren Laden schuften und darben. Gottlob, daß das aufgehört hat!“ -Aber schon die erste Semestralbilanz brachte dem Herrn Zwickerl +Aber schon die erste Semestralbilanz brachte dem Herrn \Zwickerl{} arge Enttäuschung. Trotz der enormen Umsätze und des gefüllten Kaufhauses war von einem Gewinn keine Rede, immer wieder hatte man sich beim Einkauf im Ausland so oder so verspekuliert. Und mehr als -einmal hatte Herr Zwickerl in sich hineingeseufzt: An ordentlichen +einmal hatte Herr \Zwickerl{} in sich hineingeseufzt: An ordentlichen Juden, wenn ich hätt?, der was mich beraten tät?! -Herr Zwickerl mußte tatsächlich Konkurs anmelden, das Geschäft +Herr \Zwickerl{} mußte tatsächlich Konkurs anmelden, das Geschäft wurde geschlossen und von einem Grundbesitzer aus der Gumpoldskirchner Gegend übernommen, der aus dem großen Haus eine riesige Stehweinhalle machte. In den Jahren, die dem Kriegsende und dem Umsturz gefolgt waren, hatte sich Wien immer mehr zur Zentrale des mitteleuropäischen -Luxus entwickelt und das Leben gewisser Schichten eine Ueppigkeit +Luxus entwickelt und das Leben gewisser Schichten eine Üppigkeit angenommen, die in der ganzen Welt als beispiellos besprochen wurde. Die breiten Massen der Wiener Bevölkerung aber, nicht nur die Arbeiter, sondern auch das mittlere Bürgertum, hatten @@ -2303,7 +2305,7 @@ wurden für eine Handvoll Lire oder Franken ins Ausland verkauft, weil bei dem schlechten Geschäftsgang das Benzin unerschwinglich wurde, die Kunsthändler klagten über völlige Geschäftslosigkeit, das Defizit der Staatstheater wuchs riesenhaft, christliche -Künstler und Gelehrte von Ruf, vor allem aber die großen Aerzte, +Künstler und Gelehrte von Ruf, vor allem aber die großen Ärzte, zogen ins Ausland, weil das Inland ihnen nicht mehr die Honorare bezahlen konnte und wollte, die sie von den jüdischen Zeiten her gewohnt waren. @@ -2334,7 +2336,7 @@ eine einzige große Familie, war unter sich und hatte es nicht notwendig, sich „herzurichten“. Hie und da sah man auch noch elegant gekleidete Damen und Herren; -sie fielen aber auf, man konnte von den Aelpler-Tischen bissige +sie fielen aber auf, man konnte von den Älpler-Tischen bissige Bemerkungen über sie hören, und Strakosch wurde es fast unheimlich zumute, als er sah, wie ihn dieses oder jenes „Dirndl“ durch ein Lorgnon anstierte, wahrscheinlich nur deshalb, weil sein @@ -2421,20 +2423,20 @@ verraten, aber du wirst deine Wunder erleben!“ Dieser Sommer tröstete die Wiener zum zweitenmal für das viele Ungemach und die argen Enttäuschungen, die sie erleben mußten. Gerade die schönsten Plätze und Orte in dem klein gewordenen -Oesterreich waren in den früheren Jahren zum Pachtgut der Juden +Österreich waren in den früheren Jahren zum Pachtgut der Juden geworden. Das ganze herrliche Salzkammergut, das Semmeringgebiet, sogar Tirol, soweit es einigen Komfort bot, waren von österreichischen, tschechoslowakischen und ungarischen Juden überflutet gewesen; in Ischl, Gmunden, Wolfgang, Gilgen, Strobl, am Attersee und in Aussee erregte es direkt Aufsehen, wenn Leute auftauchten, die im Verdacht standen, Arier zu sein. Die -christliche Bevölkerung, zum Teil weniger im Ueberfluß schwelgend, +christliche Bevölkerung, zum Teil weniger im Überfluß schwelgend, zum Teil auch großen Geldausgaben konservativer gegenüberstehend, fühlte sich nicht ohne Unrecht verdrängt und mußte mit den billigeren, aber auch weniger schönen Gegenden in Niederösterreich, Steiermark oder in entlegenen Tiroler Dörfern vorlieb nehmen. Das war seit der Judenvertreibung anders geworden. Es gab in den -schönsten Sommerfrischen keine Ueberfüllung, die Städter bekamen +schönsten Sommerfrischen keine Überfüllung, die Städter bekamen auf ihre Nachfragen höfliche und eilige Antworten, und trotz der sonstigen Teuerung waren die Wohnungs- und Zimmerpreise erheblich billiger als vor zwei Jahren. Und so schwärmte denn alles, was Geld @@ -2482,11 +2484,11 @@ Galerie machte sich durch Oho-Rufe bemerkbar und die kleine Opposition der Sozialdemokraten ließ sich nicht mehr einschüchtern, sondern griff immer wieder in die Debatte ein. -Schwertfeger gab einen Ueberblick über die trostlose finanzielle +Schwertfeger gab einen Überblick über die trostlose finanzielle Lage des Landes und fuhr dann fort: „Ich muß es rund heraussagen: Große und schwere Opfer stehen der -christlichen Bevölkerung Oesterreichs bevor. (Zwischenruf von der +christlichen Bevölkerung Österreichs bevor. (Zwischenruf von der Galerie: Natürlich nur den Christen, da wir ja die Juden hinausgeschmissen haben!) Opfer, die mit Mannesmut und Bürgertreue geleistet werden müssen! Die Regierung braucht zur Fortführung der @@ -2498,12 +2500,12 @@ hereinbringen. (Große Unruhe im ganzen Hause.) \erratum{„Meine}{Meine} Herren und Damen, ich weiß, daß die Bevölkerung schwer enttäuscht ist und ich bin es mit ihr. Wir alle -haben eben die Schwierigkeit der Uebergangswirtschaft unterschätzt, +haben eben die Schwierigkeit der Übergangswirtschaft unterschätzt, wir alle dachten, daß die christlichen \pagenum{89} Bürger sich besser auf die Beherrschung der Finanzen und des Geschäftslebens einstellen würden, die ganz in Händen der Juden waren. Aber was sind solche Enttäuschungen gegenüber dem ungeheuren Ziel, das wir -uns gesteckt haben, dem Ziel, Oesterreich seiner arischen +uns gesteckt haben, dem Ziel, Österreich seiner arischen Bevölkerung wiederzugeben, ein Land aufzurichten, das frei von Wuchergeist, frei von jüdischem Skeptizismus, frei von jenen zersetzenden Eigenschaften und Elementen ist, die das Judentum @@ -2523,7 +2525,7 @@ wirtschaftlichen und geistigen Lebens. Er sagte unter anderem: Antijudengesetz begründete, unsere Bevölkerung bieder, einfältig und ehrlich genannt und behauptet, daß sie der Konkurrenz der überlegenen Juden nicht gewachsen sei. Er hat nur eines übersehen: -Daß wir biederen, ehrlichen und einfachen Oesterreicher auch ohne +Daß wir biederen, ehrlichen und einfachen Österreicher auch ohne Juden von Völkern umgeben sein werden, die uns jetzt, wo wir die Juden nicht mehr haben, erst recht überlegen sind. Wo ist der mitteleuropäische Handel hingekommen, seitdem die Juden weg sind? @@ -2561,7 +2563,7 @@ vor der Oper, am Stubenring und an anderen Plätzen Hunderte von Männern und Frauen vor kleinen, mit einem Reisnagel befestigten Plakaten im Oktavformat, die folgende Inschriften enthielten: -„Wiener, Oesterreicher! Rafft euch auf, bevor Ihr alle zugrunde +„Wiener, Österreicher! Rafft euch auf, bevor Ihr alle zugrunde gegangen seid! Mit den Juden habt Ihr den Wohlstand, die Hoffnung, die Zukunftsmöglichkeit ausgewiesen! Fluch den Volksverführern, die euch irregeleitet haben! @@ -2573,7 +2575,7 @@ Der Bund wahrhaftiger Christen.“ Die Menschen lasen einander die frechen Worte vor, viele schimpften und behaupteten, daß Freimaurer das getan haben mußten, andere entfernten sich wortlos, wieder andere hatten den Mut, zustimmende -Aeußerungen zu tun und die Anderssprechenden trotzig anzusehen. +Äußerungen zu tun und die Anderssprechenden trotzig anzusehen. Nach einigen Tagen erschienen an verschiedenen Plätzen neue Plakate mit den Worten: @@ -2595,7 +2597,7 @@ unwillkürlich: „Wir müssen alles tun, um der Verdorfung zu entgehen!“ Die Polizei wurde von der erbosten Regierung aufgefordert, den -Uebeltäter aufzuspüren, der die Plakate anschlug. Vergebliche Mühe! +Übeltäter aufzuspüren, der die Plakate anschlug. Vergebliche Mühe! Alle paar Tage kamen neue zum Vorschein, immer an anderen Plätzen, an Haustoren, Kirchenportalen, ja einmal hing je eines an den Toren des Kanzlerpalais, des Polizeipräsidiums und des Parlamentes. Und @@ -2636,7 +2638,7 @@ und einer Miniatur-Handpresse einen Stoß frisch gedruckter Zettel. Erstaunt las sie: „Wiener, geht es euch heute besser oder schlechter als zur Zeit der -Juden? Ueberlegt in Ruhe und Ihr werdet euch die richtige Antwort +Juden? Überlegt in Ruhe und Ihr werdet euch die richtige Antwort geben! Wir alle haben einst geschrien: „Hinaus mit den Juden!“ So schreien wir heute: „Herein mit jenen Juden, die ehrlich und treu mit uns arbeiten \erratum{wollen.}{wollen.“} @@ -2896,7 +2898,7 @@ Heil-Gebrüll eröffnete der Apotheker Doktor Njedestjenski die Versammlung mit der Feststellung, daß es so nicht weitergehen könne. Er vermied es sorgfältig, die Notlage und Teuerung mit der Judenausweisung in Zusammenhang zu bringen, sondern gab sich höchst -deutschnational und behauptete, nur die Tatsache, daß Oesterreich +deutschnational und behauptete, nur die Tatsache, daß Österreich sich nicht an Deutschland anschließen könne, sei schuld an dem jammervollen Niedergang Wiens. Worauf ein Arbeiter unter schallender Heiterkeit dazwischen rief: @@ -2918,7 +2920,7 @@ Herzklopfen meldete er sich bei dem Vorsitzenden zum Wort und bestieg die Rednertribüne, während er dachte: Nun, Frechheit, steh? mir bei! Er tat, als würde er die deutsche Sprache nur unvollkommen beherrschen, betonte immer wieder, daß er als Franzose eigentlich -nicht befugt sei, sich in die Angelegenheiten Oesterreichs zu +nicht befugt sei, sich in die Angelegenheiten Österreichs zu mischen, aber von Wohlwollen für diese unvergleichlich schöne und liebreizende Stadt, der schönsten nach oder mit Paris, erfüllt, doch nicht umhin könne, seiner Meinung Ausdruck zu geben. Worauf @@ -2961,7 +2963,7 @@ glaube, daß Ihr Brot sitzen bleibt, weil ihm der Sauerteig fehlt! Nun heißt es aber nicht räsonieren und das, was geschehen ist, beklagen, sondern zusehen, wie Abhilfe geschaffen werden kann. Wie -das in Oesterreich möglich sein wird, weiß ich nicht. In Frankreich +das in Österreich möglich sein wird, weiß ich nicht. In Frankreich würde in solchem Falle die Bevölkerung auf Neuwahlen dringen, die zeigen müßten, ob das Volk mit den herrschenden Zuständen zufrieden ist oder sie ändern will!“ @@ -3026,7 +3028,8 @@ brachte. Er machte ihm klar, daß ein großer Umschwung bevorstehe. klar. Es wird demnächst Unruhen geben, ernste \pagenum{107} Unruhen sogar, und eines Tages wird die Regierung sozusagen flötengehen. Wenn Sie nicht mit flötengehen wollen, so müssen Sie -sich beizeiten ein wenig umdrehen. Rücken Sie von Schwertfeger ab, +sich beizeiten ein wenig umdrehen. +\discretionary{Rük-}{ken}{Rücken} Sie von Schwertfeger ab, geben Sie zu, daß man bei der Judenausweisung zu weit gegangen ist, und ganz Wien wird plötzlich inmitten des Rummels, der kommen muß und wird, sagen: Unser Bürgermeister, das ist ein Gescheiter, der @@ -3056,9 +3059,9 @@ man nicht mehr ertragen könne und sagte schließlich: „Der Ruf nach Neuwahlen wird immer ungestümer und ich bin der letzte, der den Ruf nicht hören will. Im \pagenum{108} Gegenteil, ich persönlich bin dafür, daß man tut, was das Volk will -und durch Neuwahlen feststellt, ob die Bevölkerung Oesterreichs +und durch Neuwahlen feststellt, ob die Bevölkerung Österreichs auch jetzt noch gutheißt, was die Regierung vor mehr als zwei -Jahren getan, oder ob sie eine radikale Aenderung wünscht. Ich und +Jahren getan, oder ob sie eine radikale Änderung wünscht. Ich und wohl mit mir Sie alle, meine Herren, haben nur ein Ziel vor Augen: Den Wiederaufbau möglich zu machen, das unglückliche Volk aus dem Labyrinth, in das die Entente aber vielleicht auch schwerwiegende @@ -3182,7 +3185,7 @@ wollen Neuwahlen! Und schon umzingelten dichte Menschenmassen mit ihren Fahnen und Standarten das Abgeordnetenhaus und immer neue Züge kamen an, die gesamte Arbeiterschaft Groß-Wiens, die Angestellten und Beamten -waren von den Fabriken und Werkstätten, Bureaus und Aemtern in +waren von den Fabriken und Werkstätten, Bureaus und Ämtern in geschlossenen Gruppen anmarschiert. Schon donnerten mächtige Schläge gegen die Tore des Hauses, die @@ -3358,7 +3361,7 @@ Rechtsanwälte zusammen, und um ein Uhr morgens war das Komitee konstituiert, dem ein gemeinsam gezeichnetes Millionenkapital zur Verfügung stand. -Die neue Partei hieß „Partei der tätigen Bürger Oesterreichs“, +Die neue Partei hieß „Partei der tätigen Bürger Österreichs“, stellte sich auf ein absolut bürgerlich-freisinniges Programm und begann mit einer lebhaften und temperamentvollen Agitation. Daß der Franzose Dufresne die Flugzettel und Aufrufe verfaßte, das wußte @@ -3412,7 +3415,7 @@ sein, alle jene Elemente, die nicht schon vor dem Weltkrieg in Wien seßhaft waren, fern zu halten, es sei denn, sie können vor einem zuständigen, aus Bürgern und Arbeitern zusammengesetzten Gerichtshof nachweisen, daß sie willens und fähig sind, in -Oesterreich nutzbringende, produktive, werterzeugende, dem +Österreich nutzbringende, produktive, werterzeugende, dem Gesamtwohl notwendige Arbeit zu leisten.“ Beim Bundeskanzler fanden täglich bis in die Nacht währende @@ -3484,7 +3487,7 @@ Aufhebung des Ausnahmsgesetzes gegen die Juden, vierundfünfzig für die Aufrechterhaltung. Und damit schien der schöne Traum Leos, der freisinnigen Bürger und Sozialdemokraten zerstört, denn es fehlte ihnen genau eine Stimme zur Zweidrittelmajorität, ohne die eine -Aenderung der Verfassung nicht vorgenommen werden konnte. Trotz +Änderung der Verfassung nicht vorgenommen werden konnte. Trotz ihrer vernichtenden Niederlage, trotz der Tatsache, \pagenum{123}{ } daß die Regierung sofort demissionieren und einer sozialistisch-demokratischen weichen mußte, jubelten die @@ -3584,7 +3587,7 @@ hör?. Dös wär? aber a schöne G?schicht?, wann i morgen verschlafen tät. Nachher hätten mir in vierundzwanzig Stunden die Saujuden, die verfluchten, wieder in Wien!“ -Henry Dufresne nahm die übernommene Pflicht, Oesterreich vor den +Henry Dufresne nahm die übernommene Pflicht, Österreich vor den Juden zu schützen, sehr ernst, denn er läutete schon um halb zehn Uhr bei Herrn Krötzl an. Ein schlumpiges, zwar ungewaschenes, aber noch geschminktes junges Ding öffnete ihm und ließ den ihr @@ -3607,7 +3610,7 @@ Taschenuhr, die eben auf ein viertel vor zehn wies. Blitzschnell war auch sie auf ein viertel vor neun gestellt und dann machte sich der Franzose an die unerquickliche Arbeit, Herrn Krötzl, das Wiener Postament der christlichsozialen Partei, zu wecken. Es dauerte -geraume Zeit, bevor Krötzl endlich die verquollenen Aeuglein +geraume Zeit, bevor Krötzl endlich die verquollenen Äuglein aufschlug und die Situation begriff. „Jessas, der Herr Dufresne, is? schon so spät?“ Und dann, mit einem @@ -3737,7 +3740,7 @@ Präsident eben die schon am Tage vorher an Stelle des zurückgetretenen Kabinetts gewählten Minister begrüßt und mitgeteilt, daß zwei Dringlichkeitsanträge eingebracht worden seien, dahingehend, den Paragraph 11 der Bundesverfassung, der den -Juden und Judenabkömmlingen den Aufenthalt in Oesterreich +Juden und Judenabkömmlingen den Aufenthalt in Österreich untersagt, zu streichen. Ein sozialdemokratischer Nationalrat erhob sich und stellte den @@ -3756,7 +3759,7 @@ worden, heute aber habe das verführte und berauschte Volk sie in solcher Zahl zurückgeführt, daß nunmehr die Macht in ihren und den Händen anderer freisinniger Männer liege. Wolters entwickelte dann die Ereignisse der letzten Jahre, wies den furchtbaren -Zusammenbruch Oesterreichs nach, führte schlagende Ziffern an und +Zusammenbruch Österreichs nach, führte schlagende Ziffern an und schloß mit den Worten: „Das kühne, allzukühne Werk des Mannes, der sich göttliche Macht -- 2.11.4.GIT